Berat – hübsches Albanien, armes Albanien

Nachdem wir uns bei Niko auf seiner Wiese eingerichtet haben geniessen wir bei einem Abendspaziergang samt Abendessen schonmal erste Eindrücke der Stadt. Quirlig geht es hier zu, lebhaft, die Kneipen alle ziemlich voll, die Stimmung ist ausgelassen. Sehr angenehm.

Am nächsten Morgen starten wir dann zur eigentlichen Besichtigung. Aber nicht, ohne auf nüchternen Magen Nikos Raki probieren zu müssen. Wooohhh, es ist 8 Uhr morgens… Ich hab noch nicht mal Kaffee getrunken – da kann ich keinen Raki trinken. „Nooo problämm… ein bisschen!“. Niko giesst ein. Örghs. Raki zum Frühstück.
Also dann.. Stadtspaziergang. Hübsch ist Berat. Genau wie Gjirokastër UNESCO-Weltkulturerbe, aber deutlich gepflegter und sehr viel besser erhalten. Den Aufstieg zur Burg schenken wir uns hier allerdings, man nenne uns Banausen. Hier gilt: kennste eine kennste alle.

Stattdessen wechseln wir auf die andere Flussseite in den Ortsteil Gorice und kehren dort erstmal auf eine Cola in das kleine Kiosk-Café eines alten Mannes ein. Verständigung – schwierig. Gjermanisht? English? Italiano? Ellinika? Nichts geht. Egal, unsere Cola bekommen wir trotzdem.
Irgendwann kommt ein anderer Mann ins Café, er unterhält sich mit dem Besitzer und wir verstehen nur irgendwann“greqisht“ mit eindeutigem deuten in unsere Richtung. Dann kommt der Mann auf uns zu, spricht uns auf griechisch -mit dem charakteristischen Akzent der albanischen Griechen- an, ob wir griechisch sprechen. Alex bejaht, spricht kurz mit ihm, bittet ihn an den Tisfh auf einen Kaffee. Eine Unterhaltung entwickelt sich, er erzählt, er sei gebürtig aus Sarandë, aber zu kommunistischen Zeiten nach Berat umgesiedelt worden. Nach 1991 sei er hier daran beteiligt gewesen, die orthodoxe Gemeinde des Ortes wieder mit aufzubauen.

Auf die Frage was er arbeitet sagt er: nichts, Arbeit gäbe es hier keine. Im Sommer sammelt er Kräuter die er verkauft, ansonsten leben er und seine Familie weitgehend von Unterstützung durch die Kirche, wo sie auch Essen bekommen. So entwickelt sich das Gespräch weiter, wir erfahrenl dass heute Schulbeginn ist, er aber kein Geld hatte, seinen beiden Söhnen die Schulbücher zu bezahlen. „Und die gehen jetzt dann also in die Schule und haben keine Bücher?“ Ja. Oha. Wir erfahren, die Bücher für beide kosten ca. 60 Euro. Ein Haufen Geld in einem Land, in dem der Durchschnittslohn 300 Euro beträgt.

Kathrin zu Alex: „Du, frag mal wo man die Bücher kauft. Ich will ihm die kaufen.“ Wir erfahren: direkt in der Schule. Wir bieten also an, mit ihm zusammen zur Schule zu gehen und die Bücher zu kaufen. Er reagiert zurückhaktend, aber bedankt sich schonmal. Wir laufen also zu Dritt zur Schule, es ist gerade Schulschluss, seine Frau holt gerade seinen kleinen Sohn ab und wir treffen beide noch. Sie suchen die Klassenlehrerin und finden sie gerade noch, zu fünft betreten wir den Raum, wo die Bücher ausgegeben werden. Ein riesiger Stapel für beide. Süss: Das Deutsch-Buch für die 4. Klasse. „Beste Freunde“.

Sie reden viel mit der Lehrerin, viel verstehen wir nicht, aber den Kasernenhof-Tonfall der Lehrerin nehmen wir durchaus wahr. Aber alles läuft sehr akkurat, alles wird ordnungsgemäss dokumentiert. Derweil wissen der kleine Sohn und seine Mutter gar nicht, wie ihnen geschieht.
Irgendwann heisst es nur, das Geschichtsbuch gibt nicht sie aus, sondern eine andere Lehrerin. Wie uns übersetzt wird schickt sie den Jungen los die andere Lehrerin zu suchen, damit sie in unserem Beisein das Buch ausgeben kann, so dass wir gewiss sind, dass nichts vorenthalten wird. Abermals sind wir positiv überrascht.

Wenigstens haben wir jetzt auch mal eine albanische Schule von innen gesehen. Der Mutter des Kindes ist die Scham, aber auch die Dankbarkeit anzusehen. Wir werden noch auf eine frischgepresste Limonade aus Mandarinen aus dem Garten des bescheidenen Heims eingeladen, so sehen wir auch mal die Seitensträsschen und Hinterhöfe einer albanischen Stadt.

Am Nachmittag dann wieder: Aufbruch. Wir verlassen Berat in Richtung Elbasan, wo wir in erster Linie das gigantische Stahlwerk „Stahl der Partei“ zu Gesicht bekommen, heute nicht viel mehr als eine Brache der Planwirtschaft in gigantischen Ausmassen. Durch die kleine Altstadt von Elbasan schlendern wir auch kurz, bietet aber nichts wirklich interessantes.

Am frühen Abend erreichen wir dann Tirana. Mangels Stellmöglichkeiten in Stadtnähe weichen wir auf die Adresse des Hotel Baron in der Rruga Elbasanit, der Einfallstrasse schlechthin aus. Dort parken wir relativ gemütlich auf dem Hotelparkplatz, palavern mit dem in Tübingen wohnenden Hotelbesitzer, essen gut und trinken einen exzellenten hausgemachten Merlot. Ein guter Tagesabschluss.

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