Tirana – aus Grau mach Bunt

Mittlerweile ist schon Mittwoch, der 14.9., also der zwölfte Tag auf dieser Tour und gute Gelegenheit, den Steyr mal wieder stehenzulassen. Unser Stellplatz beim Hotel „Mir schwätzed schwäbisch“ Baron ist so gelegen, dass wir am Morgen einfach in den Linienbus springen, der uns für einen Centbetrag direkt ins Zentrum von Tirana bringt.

Was einem unterwegs schon auffällt: die bunten Plattenbauten. War vorher in Albanien die vorherrschende Farbe Grau in all seinen Tönen der Alterung, so präsentieren sich Tiranas Plattenbauten in allen Pastellfarben von Schweinchenrosa bis Mintgrün. Eine Idee des ehemaligen Bürgermeisters (und amtierenden Ministerpräsidents) Edi Rama, der Tirana unter anderem so ein bisschen lebenswerter machen wollte.

Dennoch verlässt man den Linienbus erstmal am Skanderbeg-Platz, der wegen Baustelle so gar nicht vom berühmten Reiterdenkmal seines Namensgebers dominiert wird, sondern immer noch vom linearen Bau des Nationalmuseums mit seinem so unverkennbaren Mosaik. Das Erbe des Kommunismus bleibt eben omnipräsent.

Wir besichtigen also erstmal das Nationalmuseum, das angeblich sogar eine neue Abteilung zur Zeit nach 1945 haben soll. Die allerdings erweist sich als eher…. dürftig. Schade. Also schlendern wir lieber durch die Innenstadt und vor allem entlang des Boulevard Dëshmorët e Kombit. Manche Dinge haben sich nie geändert, das Innenministerium befindet sich heute noch im gleichen Gebäude wie damals, als die Sigurimi Oppositionelle mal eben „umgesiedelt“ hat.

Dafür werden wir immer wieder freundlich von Einheimischen angesprochen (auch von solchen, die sich als „Fremdenführer“ anbieten wollen.) Interessant: kaum erwähnt man Deutschland bekommt man die Geschichte erzählt, als Franz-Josef Strauss Albanien besucht hat, und immer schwingt Bewunderung mit. Damit hätte FJS wohl nie gerechnet.

Dabei passieren wir die Ruinen des „Hotel Dajti“, zu jener Zeit, das einzige Hotel, in dem Westler absteigen durften, sowie die Pyramide, die Hoxhas Tochter damals als Mausoleum für ihren Vater entwarf und nun ein jämmerliches Dasein als größte öffentliche Rutsche Tiranas fristet.

Und dann biegen wir ab in den „Block“. Das Blloku-Viertel mit Hoxhas Villa, damals Tabuzone für Nicht-Parteiführung, heute DAS In-Viertel Albaniens. Überall Lokale, die Gehwege ein Catwalk für knapp bekleidete selbstbewusste Albanerinnen, die Straßen ein Showroom für Luxuskarossen, von denen (nach Aussage Einheimischer) mindestens die Hälfte geklaut sein dürfte. Boomtown Tirana.

Wir jedenfalls verlieren die Lust am Laufen und verlegen uns stattdessen auf’s Leute schauen. Von Frappé zu Frappé wechseln wir die Locations und kommen aus dem Staunen nicht mehr heraus. Noch nie haben wir in Europa den Gegensatz zwischen Land und Stadt so extrem empfunden wie hier. Kurioserweise sehen wir hier überhaupt das erste mal einige wenige Frauen mit Kopftuch. Albanien, Land der Widersprüche…

Für uns steht jedenfalls fest: Tirana boomt. Tirana macht Lust. Tirana macht Spaß.

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