Nordalbanien – ins Land des Kanun

Was hat man uns in Südalbanien gewarnt. „Wieso wollt Ihr in den Norden? Seid Ihr verrückt? Da oben wohnen nur Irre! Die bringen sich gegenseitig um!“

Im Vergleich zu dem, was wir hier von Südalbanern über Nordalbaner hören, klingt das „Saupreiss“ des Bayern fast schon liebevoll.

Egal, wir müssen ja auch mal wieder nach Hause, und deshalb führt uns der Weg, ob wir wollen oder nicht, durch den Norden.

Wir verlassen Tirana also auf der vierspurigen Schnellstrasse, die uns irgendwann auf die Autobahn in Richtung Kosovo bringen soll.

Bei der Gelegenheit entdecken wir irgendwann zu unserer rechten einen halben LKW-Schrottplatz mit angeschlossener Werkstatt. Hm. Seit Bad Kissingen fahren wir schon unsere neuen LED-Scheinwerfer für den Steyr spazieren, ohne, dass sie mal eingebaut wären. Und einen Austauschschlauch für die Reinluft zum Turbolader haben wir auch dabei….Also halten wir an und fragen uns mal durch. Der Chef selbst zwar keiner Fremdsprache mächtig, aber freundlich. Schickt uns gleich einen Mechaniker, der mal ein paar Jahre in Turin war und dem wir auf Italienisch erklären können, was wir wollen. „Alles gar kein Problem.“ Ok, wie lange dauerts? „Eine Stunde.“Wir vereinbaren einen Preis, mit dem beide Seiten sehr zufrieden sind. Für den Mechaniker: ein mehrfaches seines Stundenlohns. Für uns: irgendwo im Bereich von zwei Eintrittskarten fürs Kino mit Popcorn. Innerhalb von 10 Minuten sind die Scheinwerfer ausgetauscht. Dafür dauert der Austausch des Reinluftschlauchs leider etwas länger, weil wegen kleineren Außendurchmessers des Originals Kreativarbeit nötig wird. Die Karre steht in der prallen Mittagssone, der Mechaniker gibt aber alles. Ein echtes Improvisatiosgenie, das wir selbstverständlich mit einem extra Trinkgeld honorieren. Diese Mühe hätte sich bei uns niemand gemacht.

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Und so setzen wir den Weg fort, mangels brauchbarer Straßen in den albanischen Norden mit Umweg über den Kosovo. Irgendwann stehen wir vor dem Grenzübergang und reihen uns selbstverständlich in der PKW Schlange ein. In den 30 Minuten Wartezeit kamen gefühlt 20 Grenzer der Reihe nach angedackelt und schimpfen uns in die LKW Schlange. Aber nix Kamion! Nix TIR! Camper! Klappt. In Sekunden sind wir aus Albanien ausgereist. Dann Einreise in den Kosovo. Der Grenzer gleich: „Deutschlaaaaaaand! Wilkommen!“ Aaaaalter. Einreise läuft freundich und korrekt, und er fragt nach Grüne Karte, die für den Kosovo natürlich ungültig ist. Alex fragt gleich, wo man Versicherung kaufen kann, dabei rutscht ihm statt das albanische „Sigurimi“ das serbische „Osiguranje“ raus. Au weh. „Kosovo: Nix Osiguranje! Sigurimi! Deutsch – viel Respekt. Serbia – nix Respekt!“

Jaja, sorry, mein Fehler, also was ist jetzt mit Sigurimi? „Da vor Grenze.“ Also mit dem LKW erstmal einreisen, rechts abstellen, zurück durch die Einreise, Versicherung für 15 Euro abschließen (statt 40 für PKW. Süß) und wieder durch die Einreise und dabei nochmal vom Grenzer die Hand schütteln lassen „Deuschlaaaand, mein Freund!“. Meine Güte.

Also ab auf dem nagelneuen „Ibrahin Rugova Highway“ bis Prizren Nord und von da ab in Richtung Berge. Auf der Straße: Traktoren und Pferdefuhrwerke en masse. Links und rechts davon: nagelneue Villen zwischen Bauruinen und überall Müll. Die grundsätzlich zweisprachigen Verkehrsschilder im Kosovo (albanisch/serbisch) sind ausnahmslos alle hälftig übersprüht. Wir denken uns einfach mal unseren Teil.


Dafür ist der Diesel billig. Für 95 Cent machen wir an einer Petrol-Tankstelle („Diesel gutt Qualität! Italia Diesel!“ Schon klar.) beide Tanks voll und verlassen diesen hoffnungslosen Landstrich so schnell, wie wir eingereist sind. Nach einer Stunde im Kosovo erreichen wir den Grenzübergang Qafë Morinë, wo unser LKW bei den albanischen Zöllnern Aufsehen erregt. Wir machen uns schon auf eine Durchsuchungsaktion gefasst, dabei sind die Zöllner nur neugierig, wie so ein Ding im Innern aussieht. Zügig und äußerst freundlich werden wir abgefertigt und wir sind schon wieder in Albanien.
Dafür wird es langsam dunkel. Mist. Unser Tagesziel Valbona-Tal knicken wir. Also denken wir uns, fahren wir doch mal nach Tropoje zu unserer Raststätten-Bekanntschaft.

Wir also mitten in den Ort rein, bei dem wir unweigerlich an Liam Neeson in 96 Hours (Marko aus Tropoje) denken müssen. Wir erreichen den großen Platz im Zentrum des Orts, der jetzt um die frühren Abendstunden heftig belebt ist. Und dutzdende Menschen fokussieren uns wie Außeriridische. Von Museum sehen wir nix. Kommen einige auf die Fahrerseite des Steyr gelaufen, Alex macht das Fenster runter. „Café Muzeum“ verstehen sie zwar alle, aber wir verstehen nicht, was sie uns mitteilen wollen. Greift einer zu seinem Handy, quatscht irgendwas auf Albanisch und reicht dann Alex wortlos das Handy hoch. „Ja hallo, Ihr habt Problem?“ Nein, kein Problem, wir suchen nur das Café Muzeum. „Café Muzuem nicht hier, ist in Stadt!“ Öh, ich dachte ich bin in der Stadt, in Tropoje. „Nein nein, ganze Kreis heisst Tropoje, Ihr müsst nach Bajram Curri, da ist Café Muzeum!“ Achsoooo! Super, Danke!

Alex reicht das Handy wieder runter, bedankt sich artig, die Einheimischen freuen sich riesig, dass sie helfen konnten.

Fahren wir halt nach Bajram Curri, sind ja nur knapp 30km bei Dunkelheit. Prima Gelegenheit, die neuen Scheinwerfer zu testen. Wir stellen fest: Die hätten wir schon auf unserer Nachtfahrt nach Agadir haben sollen.

Irgendwann erreichen wir Bajram Curri, Café Muzeum finden wir gleich und trinken erstmal ein Bier. Unsere Bekanntschaft leider nicht da. Irgendwann rufen wir mal kurz an und sagen, dass wir im Café Muzeum sind. „Oh ok, super, bin in 10 Minuten da!“ Und da kam er tatsächlich nochmal. Erzählt nochmal von seiner Zeit in Deutschland und wie toll er es fand („Irgendwann komm ich wieder nach Deutschland mit Familie, hier in Albanien pack ich einfach nicht“) und was er hier so arbeitet („Hier gibts keine Arbeit, weisst Du, mach ich albanische Art, mal dies, mal das.) . Wir haben jedenfalls einen sehr kurzweiligen Abend. Irgendwann muss er leider wieder los und er fragt, wo wir übernachten werden. Wir: Ja am besten im LKW. Kennst Du einen guten Platz wo wir uns hinstellen können?

Er quatscht kurz mit dem Wirt auf Albanisch und meint dann zu uns: „Stellt Ihr LKW direkt hier an Treppe vor Museum. Hier ist Nachtwächter, der passt auf Museum und Geschäfte auf und so. Der passt heute Nacht auch auf Euch auf, Ihr seid jetzt unsere Gäste. Hier passiert Euch gar nix!“

Oh. Krass. Ok!

„Und wenn Ihr heute Ncht irgendwas braucht, Kaffee oder so, egal ob ein Uhr nachts oder vier Uhr morgens. Sagt dem Nachtwächter Bescheid, der macht Euch.“

Die Gastfreundschaft des Kanun. Legendäres Albanien.

 

 

 

 

 

 

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