Gammeln auf Einladung

Freitag, 9.9.16: Wir verlassen Syri i kaltër, nachdem gegen 9 Uhr schon wieder die ersten Besucher eintrudeln. Den freundlichen Morgen nutzen wir, um nochmal einen Versuch auf Meer zu starten. Also zurück zur Küste, und dann folgen wir der SH8 in Richtung Norden.
Die Strasse -ziemlich piccobello ausgebaut- befindet sich nie weit weg vom Meer, aber fast immer in über 100 Metern Höhe, und offenbart dabei tolle Ausblicke auf traumhafte Buchten mit türkisblauem Wasser, die mal über mittlerweile geteerte Strassen, mal nur über Eselpfade zu erreichen sind. 

Wir wagen unseren ersten Versuch bei einer Bucht, die als Kakome Beach ausgeschildert ist. Wir folgen der Strasse, die einigermassen neu geteert relativ kurvenreich zur Bucht abfällt und enden irgendwann – vor einem gigantischen Rolltor samt Security. Fern dahinter: eine traumhafte Bucht, die allerdings nicht mehr zugänglich ist, sondern eine einzige Baustelle für ein „luxury resort“darstellt. Die Baustelle konnte man zwar sehen, auch die zig halbfertigen Gebäude, nicht aber, dass noch irgendwelche Bauarbeiten im Gange wären. Wie wir zwischenzeitlich erfahren haben, handelt es sich hierbei wohl auch eher um ein Geldwäscheprojekt und Stützpunkt für Drogenschmuggelboote unter Beteiligung bekannter Mafia-Grössen mit voller Kenntnis des Staats. Auch das ist Albanien.
Also umdrehen und nächster Anlauf in der Bucht von Lukovë. Hier finden wir einen tollen Strand mit herrlichem Wasser und verweilen ein wenig. Direkt hinterm Strand weiden die Kühe, die sogar im Müll der Strandrestaurants grasen.
A propos Müll: der ist bisher leider allgegenwärtig. Sei es in jeder Schlucht neben der Strasse oder hier direkt am Strand – überall liegt er rum. Fast schlimmer als in Marokko. Ein echtes Drama. Wir suchen zwar immer brav Mülltonnen, wissen aber genausogut, dass das eh für die Katz ist. Wir sind zu deutsch.

Am Nachmittag wieder Aufbruch, unser Tagesziel soll Himarë heissen. Also zurück auf die Hauptstrasse, von der wir kurz hinter Lukovë Ausblick auf den mittlerweile  verlassenen U-Boot-Stützpunkt erhaschen, mit seinem Riesentunnel im Wasser in den Berg geschlagen, um die U-Boote zu berbergen. Geschichte wurde hier zweimal geschrieben. Einmal, als hier beim Bruch Albaniens mit der UdSSR sowjetische U-Boote versenkt wurden. Dann, als bei den Lotterieaufständen 1997 hier die Zivilbevölkerung in Folge des kompletten Zusammenbruchs der staatlichen Ordnung die Waffenlager des Militärs plünderte. Seitdem dürfte vermutlich jeder Haushalt im Süden Albaniens über eine Kalaschnikow verfügen.

Irgendwann am Nachmittag erreichen wir Himarë, den Ort von dem man sagt, nirgends sei das Wasser blauer als hier. Wir fahren einmal durch den Ort, finden aber keine brauchbare Möglichkeit, uns mit dem Laster für die Nacht zu postieren. Also nochmal umdrehen, und am südlichen Ortseingang rechts in eine Schotterstrasse eingebogen, die aber gleich hinter Schilf wieder in Asphalt übergeht. Hier gibt es nur noch kleine Hotels und Gästezimmer – und üppig Parkraum direkt am Strand. Ist doch perfekt!
Wir wollen schon parken, blökt ein älterer Herr auf dem Moped irgendwas auf Albanisch zu uns. Wir dann alle Sprachen durchprobiert, Griechisch hat funktioniert. Der Mann stellt sich vor als Tassos, der Besitzer des Hotel Likoka, und wir können ohne Probleme direkt vor seinem Hotel parken und von ihm Strom und Wasser haben. Oh, ok!
Wir erfahren, dass die Bewohner von Himarë bis heute überwiegend Griechen sind, wie vor 1000 Jahren. Wir werden von Tassos und seiner Frau erstmal zu Bier und Raki eingeladen, es wird viel geredet. Tassos hat einen ganzen Hof voller Tiere. Enten, Hühner, Gänse, Hund mit Welpen und Aale die er alle voller Stolz zeigt. Der vor dem Haus angelegte Kreisverkehr wird als Garten zweckentfremdet.

Irgendwann war gar nicht mehr die Rede davon, nur vor seinem Hotel zu parken, sondern uns wurde ein Zimmer angeboten, als Gäste, kostenlos natürlich. Wow. Unser Hinweis, dass wir unser eigenes Bett doch dabei haben wird beseite gewischt. „Nein nein, kommt nicht in Frage, Ihr seid unsere Gäste, Ihr geniesst unsere Gastfreundschaft.“ Nochmal: Oh. Ok.
Wir fragen Tassos, wo wir noch etwas zu Abendessen einkaufen können. Als geklärt ist, dass wir Lust auf Fisch haben wirft Tassos einen Blick über die Bucht und sagt, „da ist gerade ein Boot gekommen“ und fährt mit Alex auf dem Moped in den kleinen Hafen, wo direkt vom Schiff ein Kilo Garnelen und ein 4 Kilo Seehecht gekauft werden. Tassos‘ Frau Sonia bereitet beides an diesem Abend mit viel Liebe zu. Der Tisch biegt sich und wir geniessen ein sehr feines und gemütliches Abendessen zu viert.

Am nächsten Morgen gibt es erstmal reichhaltigstes Frühstück mit Mokka, Würstchen, Ei und Schafskäse. Es fehlt an nichts und wir kommen uns vor als gehören wir schon zur Familie. Danach: Strandgang. Das Wasser ist zwar im Vergleich zu Ksamil und Lukovë wegen kalter Strömungen sackkalt. Dafür aber wirklich kristallklar. Bei Schnorcheln tut sich unter Wasser eine Fernsicht auf wie man sie aus dem Mittelmeer nicht kennt.

Mitragessen heißt: um 16h wird zu Tisch gerufen. Es gibt ein üppiges Mittagessen. Ächz. Schnauf. Pappsatt von Kartoffeln un Rindfleisch. Und natürlich braucht es irgendwann weit nach 9: ein abermals üppiges Abendessen. Was ein Mastprogramm. Wir können kaum mehr geradeaus laufen. Aber es sterben Leute bekanntlich am Hunger, nicht am Essen. Das sagt zumindest die Griechisch albanische Weisheit.
Am nächsten Morgen und nach zwei Nächten dann Aufbruch. Nicht ohne herzliche Verabschiedung und nicht ohne die dringende Bitte, nächstes Jahr wiederzukommen, dann aber bitte mit Baby und für viel längere Zeit. Aber gerne doch! 

Das Hotel Likoka verfügt über Zimmer mit Meerblick, Bad mit Dusche und Toilette. Die Zimmer sind zweckmäßig eingerichtet, zum Strand braucht es 10 Meter = einmal um die Terrasse rum.