Pässe, Pisten, Plörre

Wir verlassen Himarë weiter auf der SH8 nach Norden in Richtung Vlorë und durchqueren zahlreiche griechische Orte, bis wir endlich den Llograra-Pass erreichen, der als einer der „Top Coastal Drives of the World“ gilt. In unmittelbarer Nähe zum Meer windet sich die Strasse spektakulär auf über 1000 Meter hoch, umringt von schönen Wäldern, und immer wieder der grandiose Ausblick aus der Höhe aufs Meer.

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Llogara-Pass – Über den Wolken….

Ein letztes Mal blicken wir nach Korfu und beginnen den Abstieg nach Orikum, vorbei an der Halbinsel Karaburun, die wir zu gerne mal befahren würden. Wir erreichen unsere erste albanische Grossstadt auf diesem Trip – Vlorë. Die zwar nur zum Transist doch gestaltet sie sich trotzdem schwierig genug. Die Hauptdurchgangsstrasse ist eine einzige Baustelle, und irgendwann leitet uns ein Verkehrspolizist als LKW in eine Umleitung.  Und irgendwie schaffen wir es, mit dem Navi auf engen, ungeteerten Strassen durch Vororte und weichen primär fehlenden Gullideckeln aus. Der zwischenzeitlich wieder einsetzende Regen verwandelt selbst die Stadtdurchquerung in eine Schlammschlacht.

Unser Ziel heisst jedenfalls Tepelenë, also nehmen wir die SH76 in Richtung Südosten – der Asphalt aus grauer Vorzeit und schon entsetzlich zerhämmert.

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allgegenwärtig – Partisanendenmäler

Dafür sollte laut unserer detaillierten und aktuellen Karte von freytag & berndt der Asphalt schon in Vajzë aufhören, wir rollen auf nagelneuem Asphalt weiter bis Sevaster den Berg hinauf. Dann kommt uns im Gegenverkehr ein LKW entgegen, hupt und bleibt stehen. Wir bleiben auch stehen. Alex steigt aus. Der Fahrer des LKW fragt: „Tepelenë?“ Deutet dann auf unseren LKW, schüttelt dabei verneinend den Finger und erklärt mit Zeichensprache ein Problem mit der Höhe. Mist. Wir wussten, dass wir für manche albanische Strecken zu gross sind.Wir fahren noch bis zum Ende des Asphalts in Sevaster. Immer wieder halten Autos an um zu fragen, ob wir ein Problem hätten. Wir fragen uns durch: Tepelenë? Jaja, da lang. Ok, und geht mit Kamion? Gross? Nein nein, gar kein Problem. Wir haben Zweifel. Aber wir versuchen es. Also bei wieder einsetzendem Regen runter vom Asphalt, rauf auf die steile Piste. Steil, schmal, steinig, rutschig. Rechts Berg, links Abhang. Und nach einem halben Kilometer: Endstation. Ein Felsvorsprung verengt den Eselspfad auf Minimalspur. Bei Trockenheit hätten wir es uns -vielleicht- noch gewagt, in Milimeterarbeit um den Fels am Abgrund herumzunavigieren. Bei Regen: no way. Lieber umkehren als tot. Also einen halben Kilometer im Rückwärtsgang zurück. Wenden ist ja nicht. Alex am Steuer, Kathrin zu Fuss  hintendran als Einweiserin. Zum Glück kam der Felsvorsprung auf km 0,5 und nicht km 15….

Die Strecke entlang der Vjosa bleibt uns also leider verwehrt. Also durchfragen bei Einheimischen, und die verweisen uns auf die Piste über Amanicë. Also gut, machen wir, sollten nichtmal 20 km bis zur Hauptstrasse in Vllahinë sein. Rauf auf die Piste, und wir schaukeln uns gemächlich bei Starkregen über die Piste. Toll. Zu Hause 30 Grad und Sonne, wir im Süden fahren derweil durch den Matsch.
Die Landschaft ist jetzt auch nur so mittelspannend, hügelig, aber ohne irgendetwas interesantes. Und irgendwann taucht die erste Ölpumpe am Wegesrand auf. Gefolgt von beissendem schwefeligem Erdölgeruch. Wir sind nun mitten im Ölfeld von Patos-Marinza, das grösste Onshore-ölfeld Europas. Die rostigen Ölpumpen aus grauer sozialistischer Vorzeit. Das schlampige Rohrgerümpel genauso rostig, infolgedessen überall dort, wo Rohre liegen ein schwarzer Ölschleier auf den Gräsern. Nach Grundwasser sucht hier hoffentlich keiner mehr…

In Vllahinë landen wie dann auf der Hauptstrasse SH100. Zumindest laut unserer Strassenkarte. Die zwischenzeitlich von uns gekaufte albanische Strassenkarte ist da ehrlicher. Die unterscheidet nämlich Strassen ohne Belag nach „Hauptfeldweg“ und „Nebenfeldweg“. Was mit wenigen Ausnahmen das gesamte albanische Strassennetz betrifft.
Also weiter auf übel zerfahrenem Schotter mit Regenauswaschungen über eine kurvenreiche Strecke mit viel Auf und Ab, vorbei an einem handgemalten Schild „Route 66“. Äh, what??

Viele Autos begegnen uns hier nicht. Uns begleitet mehr oder minder der stechende Geruch des heavy crude oils, das hier gefördert wird. Vorbei an einem Tanklager auf einer Anhöhe, unter dem sich eine hunderte Meter lange und breite Erdölspur den Berg hinunterzieht, vielleicht infolge eines geborstenen Tanks. In jedem Fall eine Umweltkatatstrophe sondersgleichen.

Und irgendwann sehen wir aus der Kurve einen LKW im Gegenverkehr. Wir warten, und uns kommt entgegen: eine normale Scania-Sattelzugmaschine 4×2, also klassisches Strassenfahrzeug. Auf einer Schotterpiste. Berg hoch. Bei Regen. Mit einem Sattelauflieger voll mit Erdöl. Vollgas, die Hinterräder nur noch durchdrehend, das Fahrerhaus auf der Piste in die Lagerung hämmernd, der Motor heult und brüllt, der Fahrer muss sich sogar am Dachgriff festhalten. Klar, was soll er auch tun hier am Anstieg? Bleibt er stehen, bekommt er die Fuhre hier nie mehr in Gang. Kathrin will Fotos machen und ist starr vor Schock, so wie der Typ den Sattelzug hier hochjagt macht der das eh nicht mehr lang. Das Heulen des Motors klingelt uns in den Ohren. Unfassbar. Wir fahren mit Allrad und durchschnittlichen 8-10 km/h und der…. Aber wie man mit einer Strassenzugmaschine überhaupt hier rumkurvt, und dann ausgerechnet mit dieser Fracht, lässt uns sprachlos zurück.

Irgendwann erreichen wir dann wieder Teer und geben Gas so gut es geht. Es wird langsam dunkel, und Nachtfahrt ist hier sowas von Tabu. Wir erreichen gerade noch so Tepelenë und suchen einen Standplatz für die Nacht. Dabei verursachen wir auf den engen Strassen des Ortes ein halbes Verkehrschaos, weil wir Gegenverkehre lahmlegen, ganze Autokolonnen wegen uns bereitwillig den Rückwärtsgang einlegen. Au weh….

Am Ende finden wir einen Schlafplatz an einer Tankstelle. Bilanz an diesem Tag: 7 Stunden Fahrzeit für nur 195km. Oh, Roads of Albania….